Im Sommer noch als vermeintlicher Fehlkauf erklärt worden, ist der Rekordmann nur wenige Monate später neuer Fan-Liebling an der Anfield Road: Mohamed Salah.
Die letzte Transferperiode brachte viele neue Rekordablösen. So wechselten klangvolle Namen wie Neymar Jr. (PSG), Ousmane Dembélé (Barcelona), Kylian Mbappé (PSG), Romelu Lukaku (Manchester United), Álvaro Morata (Chelsea) oder Alexandre Lacazette (Arsenal) für viel Schotter die Klubs.
Doch nur die wenigsten hatten Mohamed Salah auf dem Schirm, der für vergleichsweise schon lächerliche 42 Millionen Euro, Rom für Liverpool eintauschte. Nach knapp drei Jahren in Italien (Fiorentina und AS Roma), wollte er den nächsten Schritt in seiner Karriere einleiten.
Es sollte wieder die Premier League werden, die Liga, die es mit dem damals 22-Jährigen Ägypter zunächst überhaupt nicht gut meinte.
Der damalige Chelsea-Coach José Mourinho holte den Flügelflitzer 2014 einst von Basel an die Stamford Brige. Beeindruckt von Salahs Geschwindigkeit und hohen Laufbereitschaft, sollte er der Offensivabteilung noch mehr Qualität verleihen. Doch nach nur 879. Einsatzminuten wurde das Gastspiel in London wieder für beeendet erklärt. Der Durchbruch blieb aus und Salah wurde als “Transferflop” nach Florenz verliehen.
In der toskanischen Hauptstadt konnte er erstmals sein bemerkenswertes Potential abrufen und die Saison mit 9 Toren und 4 Assists abschließen, ehe er innerhalb der Serie A zum Ligarivalen AS Roma weiterverliehen wurde.
In Rom, dessen Offensivspiel enorm bereichert wurde, erkannte man sehr schnell die eindrucksvolle Extraklasse des ägyptischen Juwels – man zog die Kaufoption und verpflichtete “Mo” für 15 Millionen Euro. Er dankte nach zwei Spielzeiten bei den Römern mit 34 Toren und 24 Assists.
Seine Zahlen blieben vor europäischen Top-Klubs nicht unbemerkt. Reds-Manger Jürgen Klopp jedoch, reagierte blitzschnell – die erste Offerte der Reds lag im Juni 2017 zwischen 32 und 34 Millionen Euro. Die Roma lehnte zunächst ab und forderte mindestens 40 Millionen Euro für den Nationalspieler.
Mehr Offensive geht nicht
Nur wenige Tage später, sollte es so weit sein: Mohamed Salah wurde als neuer Spieler des Liverpool FC in Melwood präsentiert. Was unter vielen Fans für Unverständnis und Kopfschütteln sorgte – eine Menge Holz für einen mittelmäßigen Spieler, aus einer mittelmäßigen Liga.
Klopp ließ aber sich nicht beirren und wusste genau, dass er einen Transfercoup für sein System gelandet hat. “Wir wollten vor der Saison im Angriff noch schneller werden”, erklärte der 50-Jährige Deutsche im Sommer den Medien. “Er passt optimal zu uns, vor allem weil er weiß, wo das Tor steht und kaltschnäuzig agiert.”
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— Liverpool FC (@LFC) June 22, 2017
Mit den weiteren offensiven Waffen wie Philippe Coutinho, Roberto Firmino und Sadio Mané im Kader, wurde das letzte Puzzleteil gefunden. Der Antritt und das hohe Spieltempo Salahs, sollte sich nach nur 21. Pflichtspielen für die Reds nicht nur als der europäische Transfer der Saison herauskristallisieren.
Das Quartett sorgt regelrecht für Angst und Schrecken – wettbewerbsübergreifend hält man aktuell bei 36 Toren und 18 Assists. Nur Manchester City, bestehend aus Sergio Agüero, Leroy Sané, Kevin de Bruyne und Raheem Sterling ist einen Tick besser (36/26).
Die Klubverantwortlichen Liverpools können ihr Glück noch immer nicht fassen. “Wenn er damals schon so abgeliefert hätte, wäre er sehr wahrscheinlich nicht bei uns gelandet”, so Klopp gegenüber Sky Sports. “In der Regel setzen sich junge Spieler nicht sofort bei großen Klubs durch.”
Salah selbst, war wohl nicht wirklich über seine Leistungsexplosion überrascht. “Ich habe mich in Italien unglaublich weiterentwickelt. Die Erfahrung bei großen Klubs gespielt zu haben, kommt mir heute zugute. Ich sehr viel Selbstbewusstsein getankt“, erinnert sich der Ägypter.
“Bei Chelsea war ich praktisch noch ein unerfahrener Teenager. Heute bin ich nicht nur ein anderer Spieler, auch charakterlich bin ich gewachsen.” Die Nummer 11 jagt einen Klubrekord nach dem anderen. Er knackte mit 9. Saisontoren in seinen ersten Einsätzen den 23 Jahre alten Rekord von Liverpoool-Legende Robbie Fowler. Gestern Abend legte er beim 3:0-Auswärtsieg in Stoke sogar noch einen drauf. Keinem Spieler zuvor, gelangen 12 Ligatore nach 14 Spielen.
Bescheidener Nationalheld
Mit 12 Toren führt er auch gleichzeitig die PL-Torschützenliste an – noch vor Harry Kane (10), Sergio Agüero (9), Romelu Lukaku (8) und Alvaro Morata (8).
Das vergöttere Eigengewächs zeigte sich ebenfalls begeistert. “Das ist es, was wir wollten. Das haben wir wahrscheinlich gebraucht, einen von seinem Kaliber, der die gegnerische Abwehr alt aussehen lässt”, so Fowler.
Nicht nur in England wird Salah gefeiert, in seiner Heimat Ägypten gibt es keine Persönlichkeit, die mehr als er verehrt wird. Die Beliebtheitswerte erreichten vor einigen Wochen während eines WM-Qualifikationsspiels westlich von Alexandria eine neue surreale Dimension.
Salah schoss mit seinem entscheidenden Elfmeter gegen Kongo (2:1) in der Nachspielzeit (’94+4) Ägypten erstmals seit 1990 wieder zu einer WM-Endrunde. Das Land stand Kopf und hatte endgültig seinen neuen “Pharao”.
Die Ereignisse überschlugen sich regelrecht. Neben viel Liebe und Dankbarkeit hatte Mamadou Abbas, ein einflussreicher Industrieller die Absicht, dem Stürmer eine Villa schenken, doch Salah lehnte dankend ab und bat stattdessen um eine großzügige Spende für sein Heimatdorf Nagrig in der Provinz Gharbiya. Der 25-Jährige hat seine Wurzeln nie vergessen.
Trotz des ganzen Medienrummels um seine Person, blieb der Volksheld bodenständig, bescheiden und respektvoll, gab sich jedoch kämpferisch. “Ich will mit Liverpool Titel gewinnen. Ein großer Klub mit großartigen Fans verdient sowas.” Ein Fußballmärchen, dass in einer verarmten Provinz begann und mit Sicherheit noch weitere tolle Kapitel aufschlagen wird.