Nach dem Rückspiel gegen Barcelona war der schnell ausgeführte Eckball von Alexander-Arnold weltweit ein Thema. Nach dem Spiel widersprachen sich die Protagonisten aber etwas: Torschütze Divock Origi meinte, die Ausführung sei abgesprochen gewesen, Alexander-Arnold bestand auf spontaner Eingebung. Was ist wahr?
Wir haben das wochenlang einstudiert! (lacht) Nein, das war tatsächlich Trents Reaktionsschnelligkeit geschuldet. Tatsache ist, dass wir schnell ausgeführte Standardsituationen immer wieder thematisieren, wir uns verschiedene Szenarien rund um einen Eckball oder Freistoß überlegen und dies wiederkehrend ansprechen. Wir fördern und fordern von unseren Spielern aber bei allem, was wir uns ausdenken, dass sie variabel bleiben. In diesem Fall mündeten langfristiges Training und ständige Wiederholungen in eine wunderbar spontane Aktion.
Laut eines Berichts des Independent seien die Balljungen seit dem Hinspiel gegen Barcelona extra für solche Situationen geschult worden, weil man in Liverpool festgestellt habe, dass Barcas Spieler nach Freistoß- oder Einwurf-Entscheidungen gegen sich auffallend oft lamentieren und abgelenkt seien. Ist da etwas dran?
Nein. Als wir nach Liverpool kamen, gab es dort nicht das sogenannte Multi-Ball-System. Das heißt, es stand genau ein Ball zur Verfügung und wo auch immer der im Aus gelandet ist, musste man ihn erst wieder Richtung Spielfeld bringen. Das haben wir mit unserer Ankunft geändert und die Balljungen vorher darauf geschult, dass sie die Kugel zügig wieder zur Verfügung stellen sollen, wenn es Einwurf oder Eckball für uns gibt. Die schnelle Spielfortsetzung ist schon auch Trainingsinhalt bei uns, weil man damit immer wieder einen Vorteil erzielen kann.
Wahr gemacht hat diese Situation vor allem auch ein aufmerksamer Balljunge. Ex-Liverpool-Profi und -Trainer Graeme Souness forderte für ihn zwei Dauerkarten und zwei Finaltickets. Wie sieht’s damit aus?
Da ich Verfechter des Teamgedankens bin, würde ich eher vorschlagen, dass man die gesamte Balljungentruppe dieses Tages zum Finale einlädt. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob der Verein da etwas unternommen hat.
Sie haben schon einige legendäre Nächte auf der Trainerbank miterlebt: Das BVB-Wunder gegen Malaga 2013 oder das Last-Minute-4:3 gegen Dortmund mit Liverpool 2015. Wo ordnen Sie das Rückspiel gegen Barcelona ein?
Mir fallen Vergleiche immer wahnsinnig schwer. Malaga hatte sich kurz vor Ende der Nachspielzeit bereits wie ein verlorenes Spiel angefühlt. Da sind ja bereits die Zuschauer nach Hause gegangen. Das war ganz, ganz speziell, komplett verrückt und unvergleichlich. Beim 4:3 gegen Dortmund war der Unterschied, dass wir noch während des Spiels stärker geworden sind und nach und nach immer besser gespielt haben. Gegen Barca war es noch einmal anders, weil wir das 0:3 aus dem Hinspiel überhaupt nicht als leistungsgerecht ansehen konnten.
Inwiefern?
Wir haben dort ein ganz hervorragendes Spiel gemacht und Barcelona in eine Spielsituation gebracht, die sie weder erwartet haben, noch gewohnt sind. Wir haben als Auswärtsmannschaft den Ballbesitz dominiert und sie derartig gepresst, dass sie auf völlig andere Mittel als sonst in Heimspielen zurückgreifen mussten. Dass wir mit unseren guten Torchancen dort keinen Treffer erzielt haben, war beinahe unerklärlich. Mit diesem Gefühl sind wir dann ins Rückspiel gegangen. Wir wussten immer, dass wir eine Spielweise an den Tag legen können, die Barca erneut nicht schmeckt. Und wir wussten immer, dass es ein relativ lustiger Abend werden kann, wenn wir unseren Druck mit erfolgreichen Torabschlüssen kombinieren.
Im Finale geht es nun gegen Tottenham Hotspur. Das letzte Aufeinandertreffen fand erst Ende März statt, Liverpool gewann wie im Hinspiel mit 2:1. Wie speziell musste man sich überhaupt auf die Spurs vorbereiten?
Wir haben alle Überlegungen auf den Prüfstand gestellt und unser Wissen über den Gegner zusammengetragen. Alles im Wissen, dass er selbst die eine oder andere Überraschung vorbereiten wird. Die besondere Herausforderung war die lange Zeit zwischen dem letzten Ligaspiel und dem Endspiel. In der ersten Woche haben wir auf Regeneration gesetzt, eine Woche später ging es in die konkrete Vorbereitung mit möglichst normalem Trainingsrhythmus. Dazu sind wir auch in ein Kurz-Trainingslager nach Marbella geflogen. Man muss einfach die Zeit nutzen, um die Spieler frisch zu halten oder frisch zu bekommen, Spritzigkeit aufzubauen und dabei trotzdem viel Alltag wiederzufinden. Wir brauchen am Samstag eine Verfassung, die es uns ermöglicht, das beste Spiel dieser elfmonatigen Saison zu machen.
Für das Trainerteam ist es das siebte Endspiel seit 2013 – die letzten gingen jedoch allesamt verloren. Meistens trat man dabei als Außenseiter an. In der Premier League hatte Liverpool nun 26 Punkte und 22 Tore mehr auf dem Konto als Tottenham. Geht man also – zumindest auf dem Papier – erstmals als Favorit in ein Finale?
Ich weiß es nicht. Glückwunsch an diejenigen, die beim Vergleich beider Mannschaften irgendwelche Vor- und Nachteile für eine Seite erkennen können. Ich bin dazu nicht in der Lage und denke, beide Teams befinden sich auf Augenhöhe. So oder so ändert das für unsere Arbeit gar nichts. Am Ende ist es wieder die Lust auf das Gewinnen, die alle anderen Gedanken dominiert. Diese Herangehensweise versuchen wir, auf unser Team zu übertragen.
Nach der Niederlage im Vorjahr gegen Real waren Sie auf dem Video zu sehen, das die Toten Hosen über Instagram teilten. Sänger Campino, Jürgen Klopp, Moderator Johannes B. Kerner und Sie intonierten einen Liverpooler Fangesang. Wie kam’s?
Wir haben nach dem Spiel natürlich keine große Feier gestartet, aber wir konnten alle nicht schlafen. Daher haben wir versucht, uns gegenseitig aufzubauen, damit wir die Negativstimmung nicht mit uns alleine austragen mussten. Nach dem zweiten oder dritten Bier ist es irgendwie dann doch noch lustig geworden. Aus dieser Laune heraus und dem einsetzenden Gefühl, dass wir wieder aufstehen und es als Sportler noch einmal versuchen wollen, nahmen die Dinge dann ihren Lauf. (lacht)