Am kommenden Samstagnachmittag (13:30 Uhr) steigt das 200. North-West-Derby zwischen Manchester United und Liverpool im “Theatre of Dreams”. Anlass genug, um sich beim Erzrivalen umzuhören.
Die “German United Devils” sind ihres Zeichen der einzige “Official Manchester United Supporters Club” innerhalb Deutschlands. Die Branch entstand aus einem Zusammenschluss zweier Gruppierungen. Im Interview mit Red Fellas, haben wir uns mit Redakteur Andreas Cina über die aktuelle Lage Uniteds und über das Derby am Wochenende unterhalten.
Stadtrivale Manchester City hat mit seinem beachtlichen Lauf die Spannung an der Tabellenspitze frühzeitig beendet. Wäre dem nicht so gewesen, würde es mit United, Liverpool und Tottenham einen Vierkampf geben. In Manchester herrscht dennoch großer Unmut. Woran liegt das?
Einerseits an der englischen Presse, die nichts unversucht lässt, um United zu denunzieren. Natürlich ist der Rückstand auf City groß, aber Manchester ist zumindest erster Verfolger. Liverpool und Tottenham werden hingegen mit Lobeshymnen überrschüttet, obwohl beide Team (noch) hinter United liegen.
Andererseits ist die Kritik an United durchaus berechtigt, da der Fußball unter Mourinho teilweise nur schwer anzusehen ist. Es ist nicht das attraktive Spiel wie unter Klopp oder Pochettino. Für die Fans ist das frustrierend. Für die Presse ein gefundenes Fressen.
Wie lange können wir uns mit dieser Verteidigung noch durchschleppen? Wann spielen wir endlich attraktiveren Fussball? Im Nachhinein muss man festhalten, dass viele Fans nur einen romantischen Blick auf die Ferguson-Ära haben.
Wie siehst du die Entwicklung unter Jose Mourinho? Ist die DNA von Ferguson überhaupt noch vorhanden?
Meiner Meinung nach ist unter Mourinho ist ein gewisser Fortschritt zu erkennen. Das zeigt die Punkte-, Tore- und Gegentorebilanz im Vergleich zur letzten Saison. Dennoch bleiben viele Fragezeichen: Warum wurde Alexis Sánchez geholt, wenn der linke Flügel gut besetzt war? Warum wurden andere Baustellen nicht behoben?
Wie lange können wir uns mit dieser Verteidigung noch durchschleppen? Wann spielen wir endlich attraktiveren Fussball? Im Nachhinein muss man festhalten, dass viele Fans nur einen romantischen Blick auf die Ferguson-Ära haben.
Vergessen sind die Tage, in denen wir uns über seine Aufstellungen gewundert haben. Selbst unter Sir Alex ist United in den letzten Jahren längst nicht mehr so offensiv aufgetreten, wie noch in den 90er und 00er Jahren.
Die Mourinho-Taktik wird medial spöttisch mit dem parkenden Bus verglichen – also genau das Gegenteil vom Heavy-Metal-Football in Anfield. Sehnt sich das Old Trafford lanfgristig wieder nach spektakulären Fußball?
Ja, ganz klar. Das man im Europa-League-Finale 2017 einen zerstörerischen Fussball gegen das attraktive Ajax Amsterdam spielte, hat mich nicht sonderlich gestört. Schlussendlich geht der Sieg über Schönheit. Aber über eine gesamte Saison hinweg, muss Fußball unterhalten können. Das tut Mourinho leider nicht allzu oft.
Viele Fans kritisieren die Einkaufspolitik des Klubs. Dabei wird nicht nur nach einem Umbruch verlangt, sondern auch die Trennung von Mourinho gefordert – trotz drei Titel. Wie analysiert du die Problematik?
Abgesehen vom Sánchez-Deal – der zwar ein genialer Spieler ist, aber wie bereits erwähnt keine Löcher gestopft hat – würde ich die Einkaufspolitik von United nicht unbedingt kritisieren. Ja, United braucht dringend einen Carrick-Ersatz und gleich mehrere Verteidiger. Aber in Summe waren Mourinhos Verpflichtungen ziemlich gut.
Ich war zwar nie ein Befürworter bei der Ernennung von Mourinho zum Cheftrainer. Ich mag weder seine Arroganz, noch seinen Spielstil. Zudem habe ich habe befürchtet, dass unsere Akademiespieler wegen seiner kurzfristigen Erfolgsambitionen darunter leiden werden. Dass viele Fans einen Trainerwechsel fordern, halte ich jedoch für falsch. Der Verein braucht Stabilität.
Spieler wie Alexis Sánchez, Paul Pogba oder Romelu Lukaku kassieren astronomische Gehälter, doch eine echte Identifikationsfigur wie einst Ryan Giggs, Paul Scholes oder Garry Neville sucht man der M62 entlang vergeblich. Was muss sich deiner Meinung nach ändern?
Das ist der Nachteil des modernen Fussballs heute. Es gibt sie eben kaum noch: die Nevilles, Gerrards oder Pirlos. Damit muss man sich wohl oder übel abfinden. Die Zeiten haben sich geändert. Ich bin froh, wenn sich bei United zumindest der eine oder andere Jugendspieler durchsetzen und behaupten kann.
Ich glaube, Mourinho wird alles daran setzen, nur nicht zu verlieren. Selbst wenn es bedeuten könnte, dass wir keinen Torschuss haben.
Am kommenden Samstag steigt größte Derby des britischen Fußballs. Die zwei erfolgreichsten Klubs der Insel versuchen Platz zwei für sich zu behaupten. Welches Spiel erwartest du?
Zwei Mannschaften mit guter Offensive und einer schwachen Verteidigung. Also wirds ein Offensivspektakel – was denn sonst? Spaß bei Seite. Ich glaube, Mourinho wird alles daran setzen, nur nicht zu verlieren. Selbst wenn es bedeuten könnte, dass wir keinen Torschuss haben.
Die letzten vier Partien gingen allesamt Unentschieden aus. Ist für dich die Brisanz der intensiven “Bloody Rivalry” über die Jahre hinweg verloren gegangen?
Ja, dass ist auf vielen Ebenen zu spüren. Sowohl die Auswärts- wie auch die Heim-Fans sind ruhiger geworden. Das Geschehen auf dem Feld ist weniger gehässig. Beiden Vereinen fehlt wie oben bereits angesprochen Identifikationsfiguren wie Gerrard, Carragher, Giggs oder Scholes. Für die war die Bedeutung eines Nord-West-Derbys noch eine andere. Heute sind Spieler alle untereinander befreundet.
Was kann United von Liverpool noch lernen? Verfolgt man die Entwicklung an der Anfield Road?
Da kommt mir aktuell überhaupt nichts in den Sinn. Klar, Liverpool spielt den attraktiveren Fussball, aber auf Kosten von mehr Gegentoren. Ob das jetzt viel besser ist? Die Entwicklung in Liverpool verfolgt man eigentlich nur dann, wenn man Schadenfreude verspürt und darüber lachen kann (lacht).
Zum Abschluss: Welches Ergebnis tippst du?
Ein sehr knappes Spiel, mit maximal einem Tor. Für wen? Keine Ahnung.