Am Dienstagabend (21.00 Uhr/live und exklusiv auf Sky) kommt es in der Champions League an der Anfield Road zum Hinspiel-Kracher zwischen Liverpool und Bayern München. Im Zuge der Achtelfinal-Begegnung beider Traditionsmannschaften haben wir im gegnerischen Fanlager einen Blick hinter die Kulissen geworfen.
Alexander Fischer besitzt seit vielen Jahren eine Dauerkarte in der Südkurve und ist Mitglied im Dachverband „Club Nr. 12“. Die Organisation ist ein unabhängiger Zusammenschluss von aktiven Fans des FC Bayern München. Wir haben uns vor dem Gipfeltreffen mit Alexander zum Interview verabredet und sprachen dabei nicht über das Schlagerspiel, sondern auch über die Entwicklung der Bayern, “You’ll Never Walk Alone”, Ticketpreise und viel mehr.
Ihr seid ein Dachverband einzelner Gruppierungen, von wie vielen Gruppierungen sprechen wir?
Wir sind der Dachverband der aktiven Bayern-Fans mit rund 3.700 Mitgliedern. Diese Leute kommen aus verschiedensten Fan-Gruppierungen und dem ganzen deutschsprachigen Raum.
Finanziert ihr euch ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen?
Die Mitgliedsbeiträge sind jedenfalls die Haupteinnahmequelle. Damit versuchen wir, die laufenden Kosten zu decken oder auch Kosten für Busse und Sonderflüge vorzufinanzieren. Dazu kommen ab und an noch Spenden, die dann on top oben draufkommen.
Ihr seid ein Mix aus “Ultras” und “normalen Fans”. Kommt es deshalb intern oft zu hitzigen Diskussionen wegen unterschiedlicher Fan-Philosophien?
Diskussionen kommen natürlich immer mal wieder vor. Allerdings gibt es aber nicht unbedingt eine Trennlinie zwischen „Ultra” und “Normal-Fan“, sondern auch durchaus zwischen verschiedenen Gruppen. Was die Gruppen und nicht-gruppengebundenen Fans aber eint, ist die Wunsch nach einer lauten und starken Kurve. Wenn es dennoch Diskussionen gibt, dann drehen diese sich oft darum, wie genau der Support aussehen soll oder auch wie stark man sich zu politischen Themen äußern will. Der Club Nr. 12 hat in den letzten Jahren immer mal wieder Umfragen bei seinen Mitgliedern gemacht, um zu klären, wie zufrieden man mit der Entwicklung der Kurve ist und was man aus der Sicht unserer Mitglieder verbessern könnte. Dies wird dann natürlich auch in die betroffenen Gruppen und Gremien getragen.
Ihr habt euch nach 18 Jahren den Traum eines eigenen Vereinsheims verwirklicht. Wie kam es dazu?
Hans-Georg Stocker, der Betreiber des Kulturzentrums BACKSTAGE ist eingefleischter Bayern-Fan. Er hat sich bei uns gemeldet und uns Räume zur Miete angeboten. Diese Chance haben wir ergriffen und uns unsere eigene kleine Heimat geschaffen. In den Räumen dort finden sowohl Veranstaltungen als auch interne Sitzungen und offene Abende statt.
Außerdem versuchen wir im schlimmsten Fall, das Vorgehen der Polizei zu dokumentieren und Rechtsverstöße aufzuzeigen.
Wie ich entnehmen konnte, hat der Club Nr. 12 einen Fanrechtefonds eingerichtet. Was ist genau darunter zu verstehen?
Du meinst hier sicher unsere noch recht neue Rechtshilfe? Wir mussten leider in den letzten Jahren immer wieder schmerzlich erfahren, dass man als Fan nicht überall gerne gesehen ist. Gerade bei Auswärtsspielen in der Champions League, aber auch in der Bundesliga, gibt es immer wieder Probleme mit den Ordnungskräften und der Justiz. Es kommt leider vor, dass Fans festgehalten werden, ohne den Grund zu kennen und dann, die ihnen vorgelegten Aussagen unterschreiben sollen.
Noch viel häufiger allerdings mussten wir in den letzten Jahren sehen, dass nicht jede Polizei in Europa auf größere Gruppen von Fans gelassen reagiert. Daher haben wir uns vor einiger Zeit dazu entschlossen, eine Rechtshilfe zu organisieren. Diese soll schnelle, unkomplizierte Hilfe bieten, wenn Fans Probleme bekommen. Die Rechtshilfe bietet dabei eine erste Anlaufstelle, für ratsuchende Fans und bietet neben der Vermittlung von Rechtsanwälten mit Erfahrung im Bereich des Fußballs die Finanzierung einer anwaltlichen Erstberatung.
Außerdem versuchen wir im schlimmsten Fall, das Vorgehen der Polizei zu dokumentieren und Rechtsverstöße aufzuzeigen. Ein durchaus größeres Echo bekamen wir beispielsweise im April 2017, nach dem Auswärtsspiel bei Real Madrid. Dort hatte die Polizei völlig übermotiviert den Bayern-Block gestürmt und hatte beim Versuch, an ein harmloses, 1×1 Meter großes Banner zu kommen, das eine mit der Ultragruppe Schickeria befreundete Gruppe aus Bordeaux aufgehängt hatte, auf alles geschlagen, was im Weg stand. Wer das Stadion in Madrid kennt, weiß wie gefährlich diese Aktion war. Über unsere Rechtshilfe wurden dann Informationen gesammelt und in Zusammenarbeit mit dem FC Bayern und den betroffenen Fans Anzeige gegen die gut dokumentierten Täter in Reihen der Polizei erstattet.
Hans aufs Herz: Ist das Duell gegen Liverpool für euch das Saisonhighlight? Nach gefühlten 100 Meisterschaften und Begegnungen gegen Real Madrid in der Champions League eine willkommene Abwechslung, oder?
Natürlich hat auch ein Spiel gegen Hoffenheim seinen Reiz und uns ist es egal, wer der Gegner ist. Nein, Spaß beiseite. Erstmal ist da natürlich die Champions League, die einen besonderen Reiz hat. Neue Städte, neue Gegner und die Chance auf den wichtigsten Pokal Europas. Doch leider zeigte sich in den letzten Jahren immer wieder, das „neue Städte und Gegner“ nur bedingt zutraf. So spielten wir gefühlt jedes Jahr gegen Arsenal, Barcelona oder Real. Dazu traf man immer wieder auf ein Team aus Manchester. Dass es nun endlich mal Liverpool wurde, ist daher sicher für viele – gerade junge – Fans ein Highlight. Endlich Liverpool! Endlich Anfield! Dass Liverpool obendrauf auch noch eines der aktuell interessantesten Teams Europas ist, ist das i-Tüpfelchen.