Abermals starten wir in eine Woche, nachdem es Liverpool verabsäumt hat, am Wochenende zu gewinnen. Diese Saison schon beinahe täglich Brot. In diesem Beitrag versuchen wir aufzuzeigen, was alles schief läuft und warum auch Klopp nicht für unbestimmte Zeit unantastbar bleibt.
+++ Warnung +++
Der nachfolgende Artikel könnte viele Leser verstören bzw. aus ihrer Wohlfühlzone reißen.
Einfach nur Pech?
Spartak war unglücklich, Sevilla sowieso, Burnley auch, Leicester im Carabao Cup egal, ist ja nur Ligapokal. In der Liga haben wir gewonnen, auswärts noch dazu. City ein Ausrutscher, dafür haben wir ja Arsenal in der Runde davor abgeschossen. Gegen Newcastle wird die Mannschaft endlich Reaktion zeigen! Oder auch nicht.
Ein enttäuschendes 1:1 mit einem Spielverlauf, der sich wie ein roter Fader durch die ganze Saison zieht. Woran liegt es? Ist es Klopp? Ist es das Team? Oder wirklich einfach nur Pech?
Die aktuelle Situation beruht definitiv auf mehr, als nur Pech. Einerseits muss man die Chancenauswertung ansprechen. Chancen und Torschüsse gab es in jedem Spiel zur Genüge, trotz allem hat man ein Torverhältnis von 13:12 nach sieben Runden. Also knapp zwei erzielte Tore pro Spiel und unterm Strich stehen nur drei Ligasiege, wettbewerbsübergreifend sind es fünf Siege in zwölf Spielen.
Das Allheilmittel unter Klopp scheint immer mehr „wir schießen ein Tor mehr als der Gegner“ zu lauten, doch wenn unsere Offensivabteilung, die mehr als konkurrenzfähig ist, auslässt, wie es in den letzten Wochen der Fall war, dann bleiben nun mal auch die Ergebnisse aus.
Die Probleme gegen die „Kleinen“
Gerade unter Klopp ist die Bilanz gegen Topteams überragend. Die 0:5-Niederlage gegen City war, und das ist Tatsache, eine Ausnahme. Die rote Karte gegen Sadio Mané hatte zudem maßgeblichen Anteil an der deutlichen Niederlage gegen ManCity, die, und so fair muss man sein, in dieser Saison bislang in einer Überform agieren.
Das Problem waren jedoch nie die Spiele gegen die „Großen“, sondern, mittlerweile seit vielen Jahren, die Punktverluste gegen die „Kleinen“. Dieses Bild zeigt sich auch in dieser Saison bereits nach sieben gespielten Runden wieder.
Zum Saisonstart gegen Watford in letzten Sekunde den Sieg verspielt, gegen Crystal Palace knapp mit 1:0 (23:4 Schüsse) gewonnen, die nach sieben Runden weiterhin auf den ersten Punkt und das erste (!) Saisontor warten, ein 1:1 gegen Burnley (35:5 Schüsse) und nun das gestrige 1:1 gegen Aufsteiger Newcastle.
In diesen vier Spielen konnte man sechs Punkte holen oder anders gesagt, man ließ sechs Punkte liegen. Vielleicht ist es aber auch gut, dass man diese Punkte nicht geholt hat. Wäre das nämlich der Fall, würde man nur einen Punkt hinter den beiden Klubs aus Manchester auf dem dritten Rang liegen und die Probleme, die man hat, würden nur kaschiert werden.
Natürlich ist es bitter, wenn man gegen Watford in letzter Sekunde den Ausgleich kassiert, die Chancen gegen Burnley und Palace nicht nützt und unser Team es Jonjo Shelvey ermöglicht, Pässe in bester Gerrard-Manier zu schlagen. Womöglich war das Glück in vielen Spielen nicht unbedingt auf unserer Seite, doch die aktuelle Situation an Glück und Pech festzumachen, wäre zu einfach.
Transferbusiness
Grund genug, um den Sommer nochmals Revue passieren zu lassen. Hier wird es ungemütlich, wenn man sich die Tatsachen vor Augen hält. Mit dem Bewusstsein, dass der Kader (ohne internationalen Bewerb) erstens zu dünn und zweitens zu unerfahren war, hatte man in diesem Sommer eine riesengroße Möglichkeit, sich mit der Champions League-Qualifikation in der einen Hand und einem saftigen Budget in der anderen Hand, ordentlich zu verstärken.
Mo Salah war der einzige Transfer, der auch das Potenzial hatte, den Kader sofort verstärken zu können. Oxlade-Chamberlain als Fehlkauf zu verteufeln ist definitiv noch zu früh, allerdings kann man es keinem Fan übel nehmen, wenn man den Kauf eines Spielers um 38 Millionen Euro, der noch ein Jahr Restvertrag hat, kritisch sieht. Erschwerend für Ox kommt hinzu, dass seine bisher gezeigten Leistungen nicht mal Durchschnitt waren.
Solanke braucht noch etwas Zeit, da sind wir uns alle einig, aber mit Bobby, der eher eine hängende Spitze, als ein Knipser ist und Sturridge, bei dem man nie weiß, wann oder wie lange er fit ist, praktisch als einzige Mittelstürmer zu planen, ist fast schon fahrlässig.
Nicht viel anders sieht die Situation im Mittelfeld aus. Den ganzen Sommer lang macht man Naby Keita schöne Augen um ihn letztendlich für das nächste Jahr fix zu verpflichten. Klar ist es schön, dass man so einen wichtigen Spieler verpflichten kann, allerdings schmerzt es, wenn man diese Saison unverändert, im Vergleich zu letzten Spielzeit, aufgestellt ist.
Henderson und auch Gini wirken immer blasser im Mittelfeld. Kein Organisator, kein Spielzerstörer, der vor der Abwehr konsequent abräumt, niemand der die Mannschaft wirklich anführen kann und Verantwortung übernimmt. Natürlich hat man auch hier offensive Power mit Coutinho oder Lallana, wenn er von seiner Verletzungspause zurückkehrt, doch unsere grundlegenden Probleme sind defensiver Natur.
Sorgenkind Abwehr
Um es schön zu umschreiben: die Abwehr war bereits letzte Saison nicht unser Prunkstück, weshalb ich mich diesem Punkt gesondert widmen möchte. Sakho wurde am Deadline Day noch zu Crystal Palace verschifft, verstärkt hat man sich lediglich mit Andy Robertson, der von Absteiger Hull für rund 9 Millionen Euro verpflichtet wurde. Am Beginn des Sommers war der Schrei nach einem neuen Innenverteidiger groß.
Virgil van Dijk wurde lange als Verstärkung gehandelt, wie die Geschichte (vorläufig) geendet hat, wissen wir alle. Eine weitere Saison mit Matip und Lovren in der Innenverteidigung, dahinter Klavan und Gomez als Back Ups. Ich kann jeden verstehen, der sich fragt, ob das ein schlechter Scherz ist. Lovren, der einen Kampf gegen seinen eigenen Körper führt, wie wir am Wochenende erfuhren, wäre wohl bei keinem anderen Topteam in der Startelf gesetzt.
Klavan ist spielerisch auf einem ähnlichen Level wie der Kroate und wohl eher als Notnagel zu betrachten. Mit Gomez hat man einen jungen Innenverteidiger, der allerdings als Außenverteidiger antreten muss, weil Clyne noch ewig ausfällt und TAA nicht jede Woche spielen kann/soll/darf – Stichpunkt Rotation.
Auf der linken Abwehrseite findet sich Alberto Moreno wieder in der Startelf, obwohl dieser schon fast wieder zurück in Spanien war. Robertson braucht allem Anschein ebenso noch Zeit. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Schotte in dieser Saison lediglich drei Spiele bewerbsübergreifend absolvieren durfte.
Schließlich muss man auch über die Personalentscheidungen im Tor sprechen. Ich persönlich (!) kann und will nicht verstehen, warum ein Spieler wie Loris Karius überhaupt geholt wurde. In keinem Bereich ist ein Vorteil gegenüber Mignolet zu erkennen, der ebenfalls bereits oft in der Kritik stand, aber immerhin auf der Linie stark ist.
Warum gibt man nicht dem jungen Danny Ward öfter eine Chance? Ein Torwart muss meines Erachtens eine Persönlichkeit am Feld sein, die Abwehr dirigieren, etwas ausstrahlen, dass dem Team vermittelt „Hey Jungs, keine Sorge, ich mach das schon“. Wenn man die Schlussmänner der Konkurrenz (und ich rede hier nicht von Burnley, Watford etc., sondern immer noch von United, Arsenal, Chelsea oder Tottenham) ansieht, muss man sich doch eingestehen, dass wir hier nicht auf einem Level sind.
De Gea, Cech, Courtois und Lloris retten ihren Mannschaften stetig Punkte, während wir bei jeder Standardsituation oder jedem hohen Ball um das Ergebnis zittern müssen.
Klopp – der Unantastbare?
Bleibt noch Jürgen Klopp. Nächsten Sonntag sind es auf den Tag genau zwei Jahre, die der Deutsche bei Liverpool im Amt ist. Anders ausgedrückt: Klopp hatte vier Transferfenster um die Mannschaft umzubauen. „Heavy Metal Football“ und „Gegenpressing“ hieß es damals. Heute fragen wir uns, wie es denn eigentlich mit einer stabilen Abwehr aussehen würde?!
Neuzugänge unter ihm waren bis dato: Grujic (Winter 16), Mané, Gini, Karius, Klavan, Matip (alle Sommer 16), Salah, Robertson, Ox, Solanke (alle Sommer 17). Von diesen zehn Spielern stehen lediglich Mané, Gini, Matip und Salah regelmäßig in der Startelf. Das angeblich hohe Transferbudget, von welchem alle Medien schrieben, blieb auch diesen Sommer aus. Hingegen darf man zusehen, wie sich die direkte Konkurrenz namhaft verstärkt.
Folglich darf man sich auch nicht wundern, warum die Klubs aus Manchester ihre Ergebnisse einfahren, während wir Fehlersuche betreiben. Gut, Keita kommt nächsten Sommer, womit man eine Baustelle weniger hat. Nichtsdestotrotz muss man es Klopp, und nur Klopp alleine, ankreiden, dass die Abwehr in gewissen Situationen wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen herumstolpert.
Weder konnte man van Dijk verpflichten (Wo war Plan B? Gab es nur einen interessanten Innenverteidiger für uns?), noch wurde ein Außenverteidiger geholt, weshalb man auf Moreno, Robertson, TAA und Gomez angewiesen ist. Bitte nicht falsch verstehen, ich spreche hier keinem Spieler Qualität ab, doch gerade TAA und Gomez brauchen noch Zeit. Speziell bei Gomez hat man gestern wieder gesehen, dass er teilweise einfach planlos und überfordert wirkt. Moreno, mit dem man eigentlich nicht mehr geplant hat, ist plötzlich Stammkraft und Robertson wird erst langsam an das Team herangeführt.
Ja bitte, wieso holt man keinen namhaften Außenverteidiger, noch dazu, wenn man genau weiß, dass Clyne länger ausfällt. Statt die 38 Millionen Euro in eine Kaderergänzung – und mehr ist Ox bis jetzt für mich definitiv nicht – zu pulvern, hätte man diese Summe ebenso in die Abwehr investieren können. Natürlich bleibt da das Problem, dass wir keinem Verteidiger ein Gehalt wie United oder City bieten werden, aber die Möglichkeit uns zu verstärken hatten wir und die haben wir einfach verpasst.
Nächsten Sommer können wir uns das ewig gleiche Lied anhören, dass es schwer ist, ohne Champions League die Wunschspieler zu bekommen. Ja gut, heuer hat man mit CL und Budget auch keine wirkliche Verstärkung für die Abwehr geholt.
Wenn es der Markt nicht zulässt, wie Klopp gemeint hat, dann muss man an den Trainingsmethoden etwas ändern. Natürlich ist es schwer von außen zu beurteilen, da man kein Training sieht, aber dass es eine Veränderung geben muss, ist augenscheinlich. Unser Abwehrverhalten bei Flanken, Ecken, Freistößen und zuletzt sogar bei Einwürfen ist gelinde gesagt katastrophal. Vielleicht sollte Klopp sein Trainerteam um einen Abwehrtrainer erweitern.
Fazit
Die Abwehr wird sich auch in der anstehenden Länderspielpause nicht plötzlich verwandeln. Die Hoffnung muss darauf basieren, dass wir unsere Chancen besser nützen. Einen wichtigen Impuls hierfür könnte definitiv Adam Lallana geben. Ansonsten bleibt ohnehin nichts über, als auf den Jänner zu warten. Eventuell bietet sich hier die Möglichkeit, punktuelle Kaderverstärkungen zu tätigen.
Ein van Dijk beispielsweise würde diesem Team gut zu Gesicht stehen, auch wenn er nicht alleine die Probleme lösen wird. Im nächsten Sommer kommt Naby Keita, doch auch Keita wird es sicher bevorzugen international zu spielen, wenn möglich in der Champions League.
Klopp muss langsam aber sicher einen Plan B hervorzaubern, sonst könnte seine Zeit bei Liverpool schneller vorbei sein, als er selbst das möchte. Er hatte nun knapp zwei Jahre Zeit und außer verlorenen Finalspielen und einer Qualifikation für die CL, kann der 50-Jährige beim LFC auch nichts vorweisen.
Klopp mag ein toller Mensch mit Charakter sein, aber wenn es sportlich nicht läuft, hilft es auch nicht, dass er die Empfangsdame in Melwood so freundlich grüßt wie kein Trainer vor ihm. Bleiben die Ergebnisse weiter aus, feiern wir, und da lege ich mich fest, heuer Weihnachten bereits mit einem anderen Trainer auf der Bank. Ich wünsche es weder Klopp, noch dem Verein und schon gar nicht uns Fans, aber in diesem Business rollt als erstes der Kopf des Trainers.
Klopp übernahm im Oktober 2015 von Brendan Rodgers. Ein Vergleich von Rodgers‘ Saisonstart 2015 mit der bisherigen Saison von Klopp 2017 zeigt vielleicht auf, wie eng es bald für Klopp werden könnte.
Rodgers 2015 | Klopp 2017 |
Liga: 3S/2U/2N | Liga: 3S/3U/1N |
EL: 0S/2U/0N | CL: 2S(Q)/2U/0N |
League Cup: Aufstieg Runde 4 | League Cup: ausgeschieden |
Torverhältnis: 10:12 | Torverhältnis: 22:18 |
Zusammenfassend hoffen wir alle, dass Klopp noch das Ruder herumreißen kann und langsam aber sicher wieder die Ergebnisse einfährt, die nicht nur die Fans erwarten, sondern auch Trainer und Spieler wollen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass man im Januar in den Kader investiert und im Frühjahr sowohl in der Liga, FA-Cup und UEFA Champions League wieder voll angreifen kann.
Vor knapp zwei Jahren waren wir alle glücklich, da man dachte, dass Klopp und LFC füreinander bestimmt sind. Vielen ist der glückliche Grinser mittlerweile in die Kniekehlen gerutscht. Jetzt kommt’s auf dich an Kloppo, zeig uns, dass es anders geht. Das nächste Spiel (wir empfangen United) wäre doch perfekt für einen Befreiungsschlag.